Allgemein

Bestimmt wird alles gut

Mir ist gestern ein Kinderbuch über Syrien, Krieg, Flucht und Hoffnung ist mir in die Hände gefallen. Heute ist Karfreitag – und da finde ich es sehr passend, euch dieses Buch vorzustellen, das von absolutem Verlust handelt und der Hoffnung, die uns weitermachen lässt. Ein Thema, das sowohl in meinen Coachings, aber auch in meiner Arbeit als Pädagogin immer wieder im Mittelpunkt der Arbeit steht. Wie gehen wir um mit einer Welt in der das Böse noch lange nicht gebannt ist? Dazu zunächst einige Gedanken von mir, ehe ich zur Buchbesprechung komme:

Viele von uns wurden in einer Zeit geboren in der „der Krieg“ nur ein Schreckgespenst der Vergangenheit war – keine reale Erscheinung der gegenwärtigen Wirklichkeit. Unsere Großeltern sagten „Gottseidank sind diese Zeiten vorbei“ und wir wuchsen in einer Welt auf in der Gewalt und Zerstörung auszusterben schien. „So etwas darf nie wieder geschehen!“ mahnte man in unserer Kindheit und man hoffte, wenn die Erinnerung an die Schrecken des Kriegs nur wachgehalten würde, dann würde die Menschlichkeit siegen.

In diesen Zeiten werden wir auf’s Neue mit der Brutalität konfrontiert, die ebenso Teil der Menschlichkeit zu sein scheint, wie Liebe, Freundschaft und Herzlichkeit.

Aber wie können wir mit unseren Kindern oder unseren Schülern über eine Welt sprechen, in der Krieg, Flucht und Verlust wieder Teil unserer Alltagswirklichkeit werden? In der Klassenkameraden, Nachbarn und Familien denen wir in KiTa und Schule begegnen tragische Erfahrungen machen mussten? Eine Welt in der Attentate und Terror uns zeigen, dass „Böse“ wieder (oder weiterhin) Teil unserer Wirklichkeit ist und „schlimme Dinge“ sich nicht auf abstrakten Konzepte wie Klimaerwärmung oder Atomenergie beschränken? Eine Welt in der es wieder von Menschen ausgeht, die anderen mutwillig Gewalt antun?

Kann man über so was überhaupt ein Kinderbuch schreiben? Man kann!

Kirsten Boie und Jan Birck ist es gelungen dieses sehr lesenswerte Buch zu verfassen, das ich im Folgenden besprechen werde. Ein Buch, von dem ich zutiefst wünschte, dass es keinen Anlass dafür gäbe. Und doch ein Buch, das notwendig ist.

Den Autoren gelingt dies, weil sie die Geheimnisse der Resilienz -der seelischen Widerstandskraft- nutzen: Sie nehmen die Realität so hin wie sie ist und beschreiben ohne zu dramatisieren oder zu beschuldigen. Sie suchen nicht nach Gründen und fragen nicht nach Schuld. Sie zeigen auf, dass Zusammenhalt hilft, schwere Zeiten zu überstehen. Sie machen anschaulich, dass es wichtig ist, seine neue Wirklichkeit so anzunehmen wie sie ist und sich einzurichten. Sie machen Mut, dass es möglich ist sich einzuleben. Selbstwirksamkeit, Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und unsere Familien und Freunde und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft – das sind die Schlüssel zur seelischen Gesundheit auch in Krisenzeiten.

Den Kindern in dieser Geschichte gelingt dies wohl besser als den Eltern: Trotz aller Angst und Unsicherheit, fühlen sie sich geborgen in der Liebe ihrer Familie und nehmen die Herausforderung an. Sie lernen die neue Sprache, finden neue Freunde, passen sich an und blicken voll Vertrauen und Hoffnung in die Zukunft!

Das ist etwas, das ich auch meinen Kindern mitgeben möchte – und vielleicht auch etwas, das wir Erwachsenen selbst uns öfter zu Herzen nehmen sollten: Die Welt mag voll von Tragödien sein. Der Karfreitag erinnert Christen daran, dass Sterben, Tod, Folter und Verrat Teil dieser Welt sind und auch die anderen Religionen kennen diese Themen in ihren Mythen.

Doch vergessen wir nicht: Diese Welt ist AUCH ein Ort voller Vertrauen, Hoffnung und Liebe. Eine Welt in der auch Wohlwollen, Nächstenliebe und die Kraft jeden Morgen wieder aufzustehen und die Herausforderungen des Lebens anzunehmen beheimatet sind.

Dunkelheit und Licht sind beide Teil dieser Welt. Tragödie und der Sieg des Lebens liegen eng beieinander. Wir dürfen immer auf ein besseres Morgen hoffen. Daran erinnern die Feiertage der Religionen in diesen Tagen uns alle. Egal ob wir als Christen das Ostermysterium, als Neuheiden den Sieg des Lichtes oder einfach als Atheisten den beginnenden Frühling feiern!

In diesem Sinne: Frohe Ostern! Und was immer Euch im Leben widerfährt: Bewahrt Euch Vertrauen, Hoffnung und Liebe!

Eure Marion Mahnke

Buchbesprechung

„Bestimmt wird alles gut“ von Kirsten Boie und Jan Birck

Kinderbuch über die Flucht aus Syrien, 48 Seiten, mit ausdrucksstarken aber angemessenen Bildern, zweisprachig (arabisch/deutsch), Klett-Kinderbuch, 9.95 €
Hauptpersonen dieser wahren Geschichte sind die zehnjährige Rahaf und ihr Bruder Hassan. Beide stammen aus Syrien und fliehen mit ihren Eltern und ihren jüngeren Geschwistern vor dem Krieg. Pädagogisch klug gewählt beginnen die Autoren diese Geschichte in Deutschland, zwei Jahre nach der Flucht. Von Anfang an wissen wir also, dass die Familie heute in Sicherheit ist.

Wie es zur Flucht kam und was die Kinder hier erlebt haben wird nun als Rückblende erzählt: Zunächst erfahren wir einiges über das Leben vor der Flucht. Wir lernen das Haus und die Familie, die Freunde und das Leben kennen, dass die Kinder in Homs (Syrien) hatten. Alltägliche Situationen wie der Übernachtungsbesuch der besten Freundin und Beschreibungen der Lieblingspuppe gleiten langsam in ebenso alltägliche Berichte über das Sammeln von Patronenhülsen, Schulbesuche mit Bombenalarm und Straßenkämpfe über. In erschreckend simplen Worten gelingt es den Autoren eine Normalität der Gewalt zu vermitteln: „Immerzu haben die Männer auch in den Straßen gekämpft, mit Panzern und Gewehren. Manche Männer sind hinterher nicht mehr aufgestanden. Das hat alles Schöne kaputt gemacht. Und immer hatten Rahaf und Hassan Angst. In Syrien ist nämlich Bürgerkrieg.“.

Ohne die Sprachbarriere und das andersartige Aussehen, das uns im realen Kontakt mit Flüchtlingen schnell dazu verführt die Ereignisse in Kriegsgebieten dieser Welt als „weit weg“ zu betrachten identifiziert man sich viel schneller mit den Protagonisten: Der Vater ist Arzt, die Mutter bringt beim Übernachtungsbesuch dieselben Sprüche wie ich selbst sie in dieser Situation schon dutzendfach im Kinderzimmer ausgesprochen habe. Nein – das alles ist keine exotische Welt, die verdammt weit weg ist, sondern ein ganz normaler Familienalltag im Krieg.

Und genauso normal wirkt somit auch die Entscheidung der Eltern: Wir gehen in ein Land in dem keine Bomben fallen. In dem die Kinder sicher sind. Genauso normal wirkt das Kofferpacken, Geld einstecken und Einsteigen ins Flugzeug. Und plötzlich bin ich als Mutter mitten drin in der Geschichte: Die erschreckende Erkenntnis, dass die Schiffspassage völlig überbucht ist. Das enttäuschte Vertrauen, wenn das Gepäck von Schleppern nicht wie versprochen an Bord gebracht wird. Und die Autoren müssen keine Worte über die Gefühle der Eltern verlieren, wenn den Kindern kalt wird, sie hungrig und durstig sind und man tagelang Angst um ihr Leben hat – über das eigene denkt man sicher kaum nach.

Aber dies ist ein Kinderbuch. Und so geht es um die Erfahrung um Rahaf und Hassan, die zu jedem Zeitpunkt berührend, aber erstaunlicherweise zu keinem Zeitpunkt unerträglich beschrieben wird.

Die Familie kommt vollständig in Italien an, reist weiter nach Deutschland. Nach und nach wird Ihnen alles genommen: Geld, Kleidung, Identität, Sprache, Träume. Was bleibt ist die Hoffnung: „Bestimmt wird alles gut.“.

Wir begleiten die Familie ins Erstaufnahmelager und später in ihr neues „Zuhause“: Einen Container. Der Vater kann in Deutschland nicht arbeiten, die Verhältnisse sind beengt, in der Schule gibt es keine anderen syrischen Kinder. Doch nach und nach lernen die beiden Deutsch, finden Freunde und einmal kann der Vater als Ersthelfer bei einem Unfall seine medizinischen Kenntnisse anwenden: ein bisschen Stolz kehrt zurück in dieses von Grund auf zerbrochene Familienleben.

Auch wenn da noch eine Menge Heimweh und Unsicherheit spürbar bleiben: Am Ende siegt doch die Hoffnung: „Aber bestimmt geht das eines Tages vorbei. Und bestimmt kriegen sie eines Tages auch eine schöne Wohnung. Und Papa darf wieder arbeiten. Bestimmt.“.

Pädagogische Empfehlung

Dieses Buch ist sicherlich kein Kinderbuch, dass man Kindern einfach so in die Hand drückt. Eher schon ein Familienbuch zum Gemeinsam-Lesen mit Kindern von 8-13. Soll es mit jüngeren Kindern gelesen werden, empfehle ich dringend, dass die Eltern das Buch zunächst allein lesen um dann zu entscheiden, ob es für den Entwicklungsstand ihres Kindes angemessen ist.

Auch für den Einsatz in der Schule (Klasse 4-8) ist es sicherlich mit gebotener pädagogischer Vorbereitung nutzbar. Fachleute, die mit Flüchtlingskindern arbeiten haben hier ein sehr interessantes Medium mit dem sie zum Gespräch einladen können.

Die besondere Stärke des Buchs ist sicherlich der Umstand, dass der Text auf jeder Seite sowohl auf arabisch als auch auf deutsch verfasst ist. Die Geschichte kann also in beiden Sprachen gelesen werden, was gerade in der Arbeit mit arabischen und deutschen Kindern eine gleichberechtigte Ebene ermöglicht. Im Anhang gibt es zudem einen kleinen Sprachführer.

Der Stil des Buches ist schlicht und eindrücklich, aber kindgerecht. Dennoch wird die Geschichte aufwühlen. Es ist hier gelungen ein dramatisches Kinderschicksal ohne Beschönigung darzustellen, dabei aber dennoch einen ruhigen und hoffnungsvollen Stil beizubehalten.